Leipziger Buchmesse 2013
Bücher – Книги – Livres – Libri – Könyvek – 도 서 – Książki – Kirjat – Bøker – Sách … Moment. Hier wird es unrealistisch, denn eigentlich gab es im fremdsprachigen Bereich der Leipziger Buchmesse zwar Bücher in vielen Sprachen zu bestaunen, aber bereits die skandinavischen Verlage wurden gesammelt von einem Stand repräsentiert und „Sách“ gab es auch in diesem Jahr nicht zu sehen. Nicht, dass eine internationale Atmosphäre gefehlt hätte, wir konnten ausgesprochen interessante Gespräche mit Vertretern bulgarischer, slowakischer, ungarischer und vieler weiterer Verlage führen und über die aktuelle (manchmal auch über die klassische) Kinder- und Jugendliteratur dieser Länder viel lernen. Allein in den Fällen, in denen die Wege länger sind, werden die Vertreter selten. Und so bleibt die Bunte Büchothek auch während der international ausgerichteten Leipziger Buchmesse der einzige Ort, an dem beispielsweise vietnamesische oder auch thailändische Kinderliteratur im Original zu finden ist. Konzentrieren wir uns aber nicht auf das, was fehlt, sondern auf das Vorhandene bzw. auf die Anwesenden!
Die Sammelpräsentation ukrainischer, polnischer und weißrussischer Literatur tranzyt versprach auch in diesem Jahr einen Blick in die Literaturen, die in der näheren sprachlichen Nachbarschaft liegen. Der Akzent bei transzyt-Lesungen lag dabei einmal mehr auf den Autoren und Werken, die zur erwachsenen, meist zur ernsten Literatur zählen und oft mit Systemkritik befasst sind. Die Sammelvertretungen dieser Staaten boten darüber hinaus jeweils einen Einblick in Bücher für die jüngeren und für die jüngsten Leser; einige der Neuerscheinungen sind auf unseren Bildern zu sehen.
Aus der Slowenischen Republik reisten Vertreter der Buchagentur JAK an, die die Bekanntheit vor allem prämierter Jugendbuchautoren in den deutschsprachigen Ländern erhöhen wollen. Viele aktuelle Lizenzübernahmen, soll heißen Übersetzungen aus dem Slowenischen zählt der interessierte Leser bei einer kurzen Recherche nicht, das allein spricht jedoch nicht gegen ihre Relevanz. Ein Beispiel für wichtige zeitgenössische Autoren aus der slowenischen Republik ist Slavko Pregl. Die Texte dieses modernen Klassikers für Kinder und auch für Jugendliche haben national einen sehr guten Ruf, so gut, dass der Autor vor einigen Jahren der slowenischen Autorenorganisation (der slowenische PEN-Club, wenn man so will) vorstand und später im Regierungsdienst die slowenische Buchagentur JAK auf den Weg bringen durfte. Schaut man sich an, wer ähnlichen Organisationen etwa in Deutschland vorsteht, wird klar, dass diese Position hier eher selten Kinderbuchautoren einnehmen. Trotz der nationalen Wertschätzung und ungeachtet vieler Übersetzungen ins Serbische, Kroatische, Russische, Usbekische, Makedonische, Tschechische, Slowakische, Bulgarische und Polnische ist Pregl in den meisten westeuropäischen Staaten noch unterschätzt, ein Schicksal, das er – unverdient – mit einigen anderen Autoren des ehemaligen Ostblocks teilt. Pregl ist ein genauer und dazu noch sehr humorvoller Beobachter, wenn es um die Lebenswelt von Jugendlichen geht (Pregl: „Humor rettet nicht die Welt. Er rettet Menschen“). Während sich die Welt auf die x-te Fortsetzung von Greg’s Diary konzentriert, entgeht ihr mit Pregls Geniji-Büchern (Geniji v kratkih hlačah 1978, Geniji v dolgih hlačah 1985 und Geniji brez hlač 2009 – Genies in kurzen Hosen/ Genies in langen Hosen/ Genies ohne Hosen) nicht allein eine Fülle witziger (und in ihrer Nachvollziehbarkeit fast überall auf der Welt gültige) Pointen, sondern eine hintersinnige, intelligente coming of age-Lektüre für Schüler und alle, denen das Schülerdasein nicht allzu fern gerückt ist. Wer hier neugierig auf eines von Pregls über 40 Büchern ist, muss Sprachenkenntnisse mitbringen: einzelne Texte gibt es auch auf Englisch oder Schwedisch, von seinen Büchern existieren hauptsächlich Übersetzungen in andere slawische Sprachen und ins Italienische.
Dieses Jahr durften wir auch einige hier wenig bekannten weißrussischen Kinderliteraturverlage und ihre Bücher kennenlernen. Beeindruckend waren stimmungsvoll illustrierte Bücher mit Kinderlyrik, aber auch die neue Übersetzung eines der bekannten Werke von Janusz Korzhak „Kajtuś czarodziej“ aus dem Polnischen sowie die neu aufgelegte Übersetzung des „Ferda Mravenec“ von Ondřej Sekora. Im Gespräch mit der Vertreterin des „Lohvinau“-Verlags unterhielten wir uns über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im deutschen und weißrussischen Kinderliteraturmarkt. In Weißrussland, so Frau Pikirenia, werde viel mehr Lyrik für Kinder gedichtet und vorgelesen.
Über Buchmessebegegnungen und die Fülle an Eindrücken aus den bunten Messehallen ließe sich noch viel berichten – Lesungen mit Gesang, Gespräche mit Literaturagenten und vieles mehr wäre eigene Artikel wert. Auch die medialen Wege dieser Begegnungen sind eine Erwähnung wert: werden Unterhaltungen oft noch auf Englisch geführt, stützen inzwischen auch Smartphone-Übersetzungsapps diese Gespräche; so wurde in Büchern blätternd die Handlung zusammengefasst und nach den richtigen Worten gesucht.
Wer genau hingeschaut hat, konnte die feinen Unterschiede zwischen den Gesprächen an den Ständen verschiedener Messehallen beobachten: während in der Halle mit den Lehrmittelverlagen eifrig Händler- und Verlegergespräche stattfanden und das vorbeiflanierende Publikum manchmal Bestellzahlen und -summen erhaschen konnte, blieb es außerhalb der Lesungen und tranzyt-zentrierten Landesvertretungen oft auch sehr ruhig in der Halle mit den internationalen Ausstellern. Bleibt nur ein Tipp an die von der Flut ungewollter Manuskripte vielleicht oft sehr ausgelasteten deutschen Verleger: Nehmen Sie sich die Zeit, schauen sie bei den weitgereisten Kollegen vorbei und genauer in die Bücher hinein, vielleicht – nein: ganz sicher lohnt sich ihr leipziger internationaler Buchmessespaziergang!
Text: Christian Räsack